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Value Kolumne von Hans Peter Schupp

12. AUGUST 2024

Volatilität, Risiko oder Chance?

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) über die Beziehung zwischen Aktienkursen und realem Wert.

„Nikkei, Dax, Dow Jones – das große Beben“ lautete die Schlagzeile der Bild Zeitung am 6. August 2024.  Zweistellige Verluste an vielen Aktienmärkten binnen weniger Tage führten dann auch in nicht ganz so schlagzeilenträchtigen Gazetten zu hektischer Suche nach Erklärungen. Die Eskalation im Nahen Osten. Einige enttäuschende Quartalsberichte. Der starke Yen, der diejenigen zum Verkauf zwang, die auf Kredit gekauft und sich dafür in der Niedrigzinswährung Yen verschuldet hatten. Schwache Arbeitsmarktzahlen in den USA, die Rezessionsängste schürten. Wirklich neu war das alles nicht. Einzig Donald Trump fantasierte eine aktuelle Begründung. Seiner Meinung nach war es die Nominierung von Kamala Harris, die den 12-prozentigen Kurseinbruch in Japan verursacht hat.

Letzten Endes ist es wie schon so oft: den exakten Auslöser kennen wir nicht. Wahrscheinlich wollten einfach viele Anleger nach einer langen Phase stetig steigender Kurse unbedingt verkaufen. Und Käufer waren nur zu niedrigeren Preisen zu finden.

Interessant ist für mich, wie undifferenziert der Kurssturz über alle Märkte, Branchen und Einzeltitel stattfand. Die Vermutung liegt nahe, dass dies etwas mit dem Erfolg der ETF-Branche zu tun hat. Werden ETFs von Anlegern zurückgegeben, müssen deren Manager alle im jeweiligen Index enthaltenen Aktien verkaufen. Und zwar ohne Rücksicht auf die Fundamentaldaten. Agieren viele Investoren so, kann daraus gehöriger Verkaufsdruck entstehen. Die Kurse fallen stark, noch mehr Anleger wollen verkaufen. Und das Rad dreht sich weiter.

Ich habe tatsächlich nie verstanden, warum Aktien immer dann massiv verkauft werden, nachdem sie im Kurs gefallen sind. Und besonders gern gekauft werden, nachdem sie deutlich im Kurs gestiegen sind. Im täglichen Leben agieren diese Investoren doch ganz anders. Sie würden niemals Pullover kaufen, wenn der Verkäufer ankündigt, er habe den Preis gerade verdoppelt. Stattdessen warten sie lieber den Ausverkauf ab. Das große Beben der letzten Tage war für mich eine Art Sommerschlussverkauf. Viele Aktien solider, aussichtsreicher Firmen wurden mit nach unten gedrückt. Das sind besondere Gelegenheiten.

Mein Job als Fondsmanager ist es, zu analysieren, welche Firmen solide und aussichtsreich sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist Lanxess, ein führendes Unternehmen in der Chemiebranche, das sich auf Spezialchemikalien wie synthetische Kautschuke und Additive für verschiedene Industrien spezialisiert hat. Weil diese Produkte nach der Coronakrise sehr knapp wurden, hatten die Kunden von Lanxess 2022 ihre Lager überproportional gefüllt, um die Produktionsfähigkeit zu sichern. Dies führte zunächst in 2022 zu einem Umsatzanstieg bei Lanxess, im darauffolgenden Jahr dann zu einem Umsatzeinbruch. Dieser wurde von vielen Beobachtern als Strukturbruch interpretiert. Die Chemiebranche habe ein langfristiges Absatzproblem und Lanxess, so die Meinung, werde nie wieder auf seinen „normalen“ Umsatztrend zurückkommen können.

Wir glauben das nicht. Wie ein Bierglas irgendwann leer ist, wenn daraus getrunken wird, sind die Lager auch irgendwann leer. Dann müssen neue Produkte bestellt werden. Tatsächlich hat sich diese Trendwende in den jüngsten Quartalszahlen von Lanxess schon angedeutet. Die Erwartungen der Analysten wurden deutlich übertroffen. Der Kurs der Aktie hat sich daraufhin bis zum Börsenbeben gut entwickelt. Er kam dann aber wieder deutlich unter Druck und verlor bis zu 20 Prozent an Wert. Für uns sind solche Bewegungen außergewöhnliche Gelegenheiten.

Es wird in den nächsten Tagen und Wochen wohl noch mehr solcher Chancen geben. Denn angesichts der Unsicherheiten in Wirtschaft und Geopolitik könnten die Schwankungen an den Börsen groß bleiben. Dann ist es entscheidend, eine klare Meinung zu den langfristigen Perspektiven einer Firma zu haben. Ich bin vorbereitet. Und freue mich auf einen spannenden, arbeitsreichen Herbst.

Bei unserem Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) bleiben wir seit 25 Jahren unserer Anlagephilosophie treu. Wir investieren in unterbewertete Firmen mit Potenzial und nachvollziehbarem Geschäftsmodell. Dabei agieren wir wie ein Unternehmer, der die gesamte Firma kaufen möchte und schwimmen bewusst gegen die herrschende Marktmeinung.

Der Autor: Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds.