Value Kolumne von Hans Peter Schupp
17. AUGUST 2023
Die Stunde der Zulieferer beginnt
Sie produzieren immer weniger, verdienen aber immer mehr. Die Rede ist von den Autobauern. Und hier besonders von Mercedes, BMW und Audi. Vor allem die teuren Nobelkarossen beflügeln das Geschäft. So konnte Mercedes-Benz seinen Reingewinn im ersten Halbjahr auf 7,7 Milliarden Euro steigern. Das entspricht einem Plus von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz legte um sechs Prozent auf fast 76 Milliarden Euro zu. Und das trotz gestiegener Materialkosten und negativer Währungseffekte.
Mercedes-Modelle sind in nur vier Jahren um 43 Prozent teurer geworden
Doch was die Mercedes-Aktionäre freut, ist der anderen Leid: Die Autozulieferer bekommen zu spüren, dass Mercedes & Co. immer weniger Autos bauen. Waren es bei den Stuttgartern 2020 noch 2,46 Millionen Autos, so sank der Wert im vergangenen Jahr auf 2,04 Millionen Karossen. Und in diesem Jahr werden es nicht viel mehr sein. Bei weiter steigenden Gewinnen. Wie passt das zusammen? Nun, der gute Stern auf allen Straßen ist in den letzten Jahren deutlich exklusiver geworden. Der Durchschnittspreis eines Mercedes erreichte im vergangenen Jahr etwa 72.900 Euro – ein Anstieg um 43 Prozent gegenüber dem Niveau von 2019. Da klingelt die Kasse! Die sogenannte „Top End Vehicle“ (TEV) Group zahlt sich aus.
Zulieferer leiden unter den geringen Stückzahlen
Aber: Je weniger Autos gebaut werden, desto mehr leiden die Zulieferer. Ob Mercedes, BMW, Audi oder Porsche – alle hatten sich auf die Top-Modelle mit hohen Margen konzentriert und dabei königlich verdient. Im Gegensatz zu den Zulieferern, die mehr von der Masse als von Klasse abhängig sind.
Wir haben viele Jahre mit geringen Volumina erlebt. Zuerst war es Corona. Dadurch konnte nicht produziert werden, weil niemand in die Werkshallen durfte. Dann waren es die gestörten Lieferketten – mit der gleichen Begründung. Schließlich eine Knappheit an Halbleitern. Die Halbleiterproduzenten lieferten lieber an Apple & Co. als an die Autoindustrie. Hier spricht allein die Masse gegen die Autobauer.
Es war äußerst schwer, als Automobilhersteller an diese Produkte zu kommen. Trotzdem haben sie in dieser Zeit enorme Gewinne eingefahren, weil sie sich eben auf die High-Class-Modelle konzentriert haben. Und, nicht zu vergessen: Sie mussten keine Rabatte geben.
Autobauer müssen umdenken
Aber irgendwann ist der Markt für die S-Klasse und den 7er BMW gesättigt. Jetzt muss man wieder an die A- und B-Klasse und den 3er BMW denken. Und die dann möglichst auch noch als E-Autos anbieten. Das sind dann wieder Volumenmodelle, und dann sollte auch die Stunde der Zulieferer schlagen. Sie sind enorm abhängig von den „economies of scale”. Wenn wenig gebaut wird, ist das für sie schwer. Werden aber wieder höhere Volumina nachgefragt, kommt ihnen der Skaleneffekt zugute.
In der Vergangenheit waren die Margen der Zulieferer bei höheren Volumina immer höher als die der Autohersteller selbst. Bei geringen Volumina war es genau umgekehrt. Und genau vor einer solchen Umkehr stehen wir heute.
Der sinkende Absatz in China ist für die Automobilhersteller ein Faktor, den man nicht vernachlässigen sollte. Aber wir hatten in Deutschland im ersten Halbjahr insgesamt einen Zulassungszuwachs von 12,8 Prozent. Bei E-Autos lag er bei 31 Prozent. Das Wachstum von E-Autos insgesamt liegt aber nur bei 16 Prozent. Das ist zwar viel, bedeutet aber auch, dass die Zahl der Benziner und Diesel immer noch sehr hoch ist und nicht alles von den E-Autos abhängt.
Es beginnt die Stunde der Zulieferer
Und hiervon profitieren wir mit einigen Portfolio-Werten unseres Fidecum Contrarian Value Euroland Fonds. Dazu gehören Valeo, Plastic Omnium oder Sogefi. Valeo ist vor allem auf die Entwicklung von innovativen Lösungen für intelligente Mobilität spezialisiert, mit besonderem Schwerpunkt auf intuitivem Fahren und der Reduzierung von CO2-Emissionen. Der französische Zulieferer Plastic Omnium produziert unter anderem Kunststoff-Karosserieaußenteile und -Kraftstofftanks für alle führenden Automobilhersteller. Darüber hinaus ist das Unternehmen, das zuletzt richtig gute Quartalszahlen vorgelegt hatte, in das Geschäft mit Fahrzeugleuchten eingestiegen, die in die Stoßstangen integriert werden. Damit wird Plastic Omnium zu einem Komponentenhersteller und stärkt seine Marktposition. Und last but not least die Sogefi Group. Die Italiener entwerfen, entwickeln und produzieren Filtersysteme und flexible Fahrwerkskomponenten sowie Luftansaug- und Motorkühlsysteme. Dabei sind alle drei Aktien mit einem KGV zwischen 3,4 und 7,8 günstig bewertet. Ziehen die Volumina wieder an, sollten wir an allen drei Titeln noch viel Freude haben.
Der Autor: Hans Peter Schupp ist Vorstand der FIDECUM AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds