Value Kolumne von Hans Peter Schupp
15. JANUAR 2025
Kippt der Baby-Boomer-Boom?
Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) über Demografie und ihre Auswirkungen auf die Kapitalmärkte.
Demografische Prozesse entwickeln sich langsam und bleiben deshalb oft im Verborgenen. Doch sie sind mächtig, dominieren langfristige Trends und lassen sich auch gut vorhersehen. Wer im Jahr 2000 nicht geboren wurde, wird 2025 nicht 25 Jahre alt. So einfach ist das.
In Deutschland wird Demografie meist im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt oder der Rente analysiert. Doch auch am Kapitalmarkt hat sie einen großen Einfluss. Nach der Lebenszyklustheorie haben die meisten Menschen ungefähr ab dem 40sten Lebensjahr genügend Einkommen, um verstärkt in Aktien für die Altersvorsorge anzulegen. Beim Eintritt in das Rentenalter wird ihnen dann in der Regel geraten, die Aktienquote wieder sukzessive zu reduzieren. Denn dann müssen viele Anleger von ihrem Ersparten leben. Außerdem bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit, um etwaige Kursrückschläge aufzuholen. All dies hat Auswirkungen auf die Geldflüsse an den Kapitalmärkten.
Die Ersparnisse der Boomer trieben die Aktienmärkte – und die ETF-Industrie
Der wichtigste Anlegergruppe sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Baby-Boomer. Damit werden nach gängigen Definitionen die zahlenmäßig stark besetzten Jahrgänge 1950 bis 1964 bezeichnet, die während des Geburtenanstiegs nach dem zweiten Weltkrieg in den reichen, großen sieben Industrienationen zur Welt kamen. Ihr Anlagerverhalten hat das Geschehen an den Börsen in den letzten Jahrzehnten tatsächlich maßgeblich beeinflusst.
Zwischen 1990 und 2004 erreichten die Boomer das 40ste Lebensjahr und begannen, in großem Stil in Aktien für die Altersvorsorge zu investieren. Entsprechend stark stieg die Nachfrage nach passenden Anlageprodukten. Insbesondere ETFs auf breite Indizes profitierten, die sich als einfache, diversifizierte und kostengünstige langfristige Anlage etablierten.
Der stetige Geldzufluss blieb auch nicht ohne Auswirkungen auf die Bewertung von Wertpapieren. Mehr Kapital jagte eine bestenfalls gleichbleibende Anzahl von Aktien. Im Trend stiegen so die Kurs-Gewinn-Verhältnisse an den Aktienmärkten an. Schwankten die zyklisch adjustierten Zehn-Jahres-KGVs des S&P 500 von 1985 bis 1995 zwischen 10 und 20, so bewegt sich diese Kennzahl in den letzten fünf Jahren zwischen 20 und 35. Die Preise für Aktien stiegen. Die Buchgewinne und der gefühlte Reichtum der Investoren nahmen zu.
Nun werden die Babyboomer Rentner und beginnen zu entsparen
In Zukunft könnte sich dieser langfristige Trend wieder umkehren. In den G7 Staaten sind die Boomer heute zwischen 61 und 75 Jahre alt. Sie haben in den letzten Jahrzehnten an den Aktienmärkten ein großes Vermögen erwirtschaftet. Folgen sie dem Rat der Finanzplaner, dürften sie in den kommenden Jahren ihre Aktienquoten sukzessive reduzieren und Kapital aus den Aktienmärkten abziehen.
Das bedeutet natürlich nicht zwingend, dass die Kapitalzuflüsse an die Aktienmärkte abrupt stoppen werden. Schließlich entdeckt die junge Generation gerade den Vorzug des langfristigen Aktiensparens. Auch in Schwellen- sowie Entwicklungsländern wird der Mittelstand wohlhabender und hat vermehrt Kapital für die Anlage übrig.
Trotzdem dürften die Geldzuflüsse in den nächsten Jahren langsam, aber sicher geringer werden. Es ist deshalb sinnvoll, sich heute schon Gedanken über die Konsequenzen für einzelne Anlagesegmente zu machen. Wird der Kapitalstrom dünner, sind besonders sogenannte Trendinvestments gefährdet. Wir zählen dazu vor allem Aktien, die nicht mit Blick auf die aktuellen Fundamentaldaten gekauft werden, sondern in der Hoffnung, dass immer mehr Geld in diese Titel fließt und Kurse wie Bewertungen weitertreibt. Solche Trendinvestments sind zum Beispiel die Aktien der Glorreichen Sieben, aber auch die von diesen Titeln dominierten amerikanischen Aktienindizes. Selbst das aktuell beliebteste Investment – ETFs auf den MSCI-World Index – ist vor diesem Hintergrund mit Vorsicht zu genießen. Denn wer dort investiert, kauft zu 70 Prozent US-Aktien und hat 20 Prozent seines Kapitals nur in fünf! US-Titel angelegt. Eine sinnvolle Diversifikation in das weltweite Unternehmertum ist das nicht.
Value-Aktien könnten in der Zeit des Entsparens Aktienvermögen sichern
Sollte in den nächsten Jahrzehnten Kapital aus den globalen Aktienmärkten abgezogen werden, dürfte das zwar ebenfalls einen Einfluss auf aktuell niedrig bewertete Titel haben. Trotzdem halten wir in diesem Fall eine Rückbesinnung auf reale Werte für wahrscheinlich. Wird eine Firma mit einem soliden Geschäftsmodell zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von zehn gehandelt, erwirtschaftet sie 10 Prozent Rendite und kann einen Großteil davon ausschütten. Sie dürfte deshalb als Anlageobjekt für Baby-Boomer attraktiver werden, die einen Teil ihres Lebensunterhalts im Ruhestand über Zins- und Dividendenerträge finanzieren möchten.
Demografische Prozesse entwickeln sich langsam, aber mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit. Sie werden in den nächsten Jahrzehnten Einfluss auf die Kapitalströme und die Bewertungen an den Aktienmärkten haben. Investoren sollten deshalb heute schon damit beginnen, aus den „Trendinvestments“ in bewährte Value-Aktien zu diversifizieren.
Unser Investment Ansatz
Bei unserem Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) bleiben wir seit 25 Jahren unserer Anlagephilosophie treu. Wir investieren in unterbewertete Firmen mit Potenzial und nachvollziehbarem Geschäftsmodell. Dabei agieren wir wie ein Unternehmer, der die gesamte Firma kaufen möchte und stellen uns – wenn nötig – bewusst gegen die herrschende Marktmeinung.
Der Autor: Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds.