Value Kolumne von Hans Peter Schupp
3. JULI 2023
Der Cost-Average-Effekt: Clevere Strategie oder teure Mär
Fondssparpläne gehören seit vielen Jahrzehnten zur gängigen Praxis für den Vermögensaufbau von Anlegern. Die Argumentation ist dabei einfach: Wer monatlich einen fixen Betrag in eine schwankende Anlageform wie Aktien spart, kauft automatisch mehr Anteile, wenn die Kurse oder Preise niedrig sind. Über einen gewissen Zeitraum ist der durchschnittliche Anteilspreis im Anlegerdepot damit niedriger als der durchschnittliche Preis im Markt. So nutzt der Anleger auf clevere Art Kursschwankungen aus. Rendite und Risiko stehen damit in einer vernünftigen Relation, denn man nutzt den Cost-Average-Effekt, also den Kostendurchschnittseffekt.
Kritik am Cost-Average-Effekt
Aber ist das auch so? Nun, die Argumentation wird immer wieder kritisiert, zuletzt in einem Kommentar in der Wirtschaftswoche vom 18.06.2023 mit dem Titel „Dieser Mythos kostet Geld“. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson bezeichnete das Werben mit dem Durchschnittskosteneffekt schon 1994 als „blunder, if not a crime“. Zu Deutsch: „Ein grober Fehler, wenn nicht gar ein Verbrechen.“ Verständlicherweise wird das methodische Vorgehen in Frage gestellt, wenn Renditen arithmetisch gemittelt werden. Hier ein Beispiel: Ein Kurs fällt um -50 Prozent und steigt danach um +100 Prozent auf den Ausgangswert. Die durchschnittliche Rendite ist +25 Prozent (-50 Prozent +100 Prozent / 2), obwohl über den gesamten Zeitraum nichts verdient wurde.
Richtig wäre hier das geometrische Mittel (1 -50 Prozent)*(1 +100 Prozent) -1 = 0.
Weiterhin wird argumentiert, dass bei einem Sparplan im zeitgewichteten Durchschnitt viel weniger Geld gebunden ist als bei der Einmalanlage und von daher Renditen keine Aussagekraft haben. Auch dies ist inhaltlich zwar richtig, sagt aber nichts über den Cost-Average-Effekt aus. Es zeigt nur, dass der Sparplan – wie der Name schon sagt – eine Form des Vermögensaufbaus ist, während es sich bei der Einmalanlage um die Umschichtung innerhalb eines vorhandenen Vermögens handelt.
Cost-Average-Effekt als wesentlicher Bestandteil unseres Investmentprozesses
Für uns ist der Cost-Average-Effekt aber ein wesentlicher Bestandteil unseres Investmentprozesses, und zwar gar nicht nur aus Rendite- sondern vielmehr aus Risikoerwägungen. Genauso, wie ein Vermögen über mehrere Wertpapiere diversifiziert sein sollte, macht es auch Sinn, den Erwerb dieser Wertpapiere über mehrere Zeitpunkte zu streuen.
Zugegeben, dieses Vorgehen wird in der akademischen Literatur angezweifelt, da es nur funktioniert, wenn die Kurse im Investitionszeitraum auch niedriger sind als zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung. Im anderen Falle läuft man den Kursen nur hinterher. Diese Kritik gilt jedoch hauptsächlich für Momentum-Strategien, die zumeist bei Wachstumsunternehmen umgesetzt werden. Dies ist aber nicht unser Investmentansatz. Wir verfolgen einen Contrarian Value-Ansatz, in dem wir oft sehr früh in Unternehmen investieren und dann in fallenden Kursen unsere Position ausbauen.
Ein Beispiel: Viel zu früh und viel kritisiert haben wir nach der Brexit Entscheidung 2016 in die Deutsche Bank-Aktie investiert und diese Position konsequent bis zu ihrem Tiefpunkt weiter erhöht. Inzwischen ist dies ein sehr erfolgreiches Investment. Man benötigte aber gute Nerven dafür.
Re-Balancing als Kernfaktor unserer Strategie
Noch wichtiger ist für uns das sogenannte Re-Balancing. Auch hier handelt es sich um Cost-Averaging. Kursschwankungen an den Börsen führen dazu, dass sich die Vermögensaufteilung des Portfolios aufgrund unterschiedlicher Wertentwicklung der einzelnen Vermögenswerte verändert und diese unterschiedlich stark von ihrer Zielallokation abweichen. Durch den Verkauf eines Teils der Aktien mit überdurchschnittlicher Wertentwicklung und den Kauf anderer mit schlechterer Wertentwicklung wird das gewünschte Risikoniveau aufrechterhalten.
Hierzu gibt es zwei Strategien. Die Anpassung kann entweder Zeitbasiert oder Bandbreiten-basiert erfolgen. Je nachdem wie, wie zeitnah das Portefeuille ad-justiert werden soll, können diese Anpassungen entweder zu einem Stichtag oder dann erfolgen, wenn bestimmte Toleranzgrenzen überschritten wurden. Diese Methode kommt im Contrarian Value Fonds zum Einsatz, da wir selbstverständlich täglich die Wertentwicklung unseres Portefeuilles überwachen und umgehend eingreifen, wenn die Abweichungen zu unserer Zielallokation zu groß werden. Meist nutzen wir dafür die Zu- und Abflüsse im Fonds.
Cost-Average-Effekt – ein sinnvolles Instrument zur Risikoreduktion
Fazit: Auch wenn es berechtigte Kritik am Cost-Average-Effekt gibt, handelt es sich unseres Erachtens um ein durchaus sinnvolles Instrument zur Risikoreduktion in einem bestehenden Portefeuille und beim Vermögensaufbau. Trotz der positiver Wertentwicklung unseres Contrarian Value Euroland Fonds seit Auflage, hat es sich für unsere Investoren als vorteilhaft erwiesen, aufgrund der ansatzbedingten volatilen Wertentwicklung zunächst ein Grundinvestment zu tätigen und dann die Position je nach Markteinschätzung und Risikoneigung im Zeitverlauf in mehreren Schritten zu erhöhen – also selbst ein Cost-Averaging zu betreiben.
Der Autor: Hans Peter Schupp ist Vorstand der FIDECUM AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds