

Value Kolumne von Hans Peter Schupp
30. SEPTEMBER 2025
Die schönen Töchter – verborgene Werte im Konzern
Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) über besondere Investmentgelegenheiten.
Manchmal blicken Investoren so gebannt auf das Kerngeschäft eines Unternehmens, dass sie die stillen Schätze, die Töchter, gar nicht bemerken oder in ihrer Analyse unberücksichtigt lassen. Dann ergeben sich manchmal besonders interessante Investmentgelegenheiten. Im Idealfall sind die Töchter mehr wert als der gesamte Konzern – und das Kerngeschäft gibt es quasi als Mitgift obendrauf.
Wir haben solche Chancen schon früher anhand der Beispiele von Salzgitter (ISIN: DE0006202005) und Eni (ISIN: IT0003132476) beschrieben. Nun haben wir ein weiteres, besonders augenfälliges Beispiel entdeckt: Quadient (ISIN: FR0000120560), vormals Neopost.
Ein alter, unspektakulärer Kern…
Das Stammgeschäft des französischen Unternehmens sind Frankiermaschinen. Darin große Wachstumsfantasie zu vermuten, ist natürlich in etwa so realistisch, wie nach der Erfindung des Automobils auf eine Expansion der Kutschenbauer zu hoffen. Aber es ist eben auch kein Geschäft, das sich über Nacht in Luft auflöst.
Die Geräte – meist kleine Maschinen – werden für 20 bis 30 Euro im Monat verleast. Läuft der Vertrag aus, wird er meist schlicht verlängert. Die Beträge sind einfach zu klein, das Einsparpotenzial für die Kunden vernachlässigbar.
So kommt es, dass Quadient im Jahr 2024, also drei Jahrzehnte nach der allgemeinen Verbreitung der E-Mail, mit seinen Frankiermaschinen noch immer 730 Millionen Euro Umsatz machte und dabei immerhin 200 Millionen Euro EBITDA verdiente.
… wird ergänzt durch neue, attraktive Geschäftsfelder
Wohlwissend, dass Frankiermaschinen kein Zukunftsmarkt sind, hat Quadient schon vor über zehn Jahren begonnen, sein Geschäft zu diversifizieren.
Zum einen betreibt das Unternehmen heute rund 25.000 Paketstationen in Frankreich, Großbritannien und Japan – ein attraktives Geschäftsfeld, das 2024 immerhin den EBITDA-Breakeven erreichte und im ersten Halbjahr 2025 profitabel war. 2026 soll dort dann eine EBITDA-Marge von mehr als zehn Prozent erzielt werden.
Zu einer noch viel wertvolleren Tochter hat sich die Sparte Digital entwickelt. Sie bietet Unternehmen Werkzeuge an, mit deren Hilfe sich die oftmals veraltete Kundenkommunikation schnell in die digitale Gegenwart holen lässt. Rechnungen, Briefe und Dokumente werden nicht länger nur auf Papier verschickt, sondern digital verfügbar gemacht – über E-Mail, Webportale oder Apps. Die neue Pflicht zur E-Rechnung wirkt hier wie ein zusätzlicher Wachstumsschub.
Wie begehrt dieses Feld heute ist, zeigte sich Anfang August, als die Private-Equity-Gesellschaft Cinven, den Wettbewerber Smart Communications übernahm. Natürlich „zu nicht genannten Konditionen“. Der Nachrichtendienst Bloomberg kolportierte dennoch eine Zahl: 1,8 Milliarden US-Dollar. Wofür? Versteckt hinter dem diskreten Namen Platinum Topco
(UK Company number: 10340885) veröffentlicht das Unternehmen seinen Konzernabschluss. Dieser zeigt, dass Cinven den stolzen Preis für 51 Millionen US-Dollar EBITDA im Jahr 2024 bezahlt hat.
Zum Vergleich: Quadient verdiente mit seiner Digitalsparte im letzten Jahr 47 Millionen Euro, rund 55 Millionen US-Dollar. Die Quadient-Tochter liegt also praktisch gleichauf mit dem Wettbewerber.
Die Bewertung von Quadient
Wir haben nachgerechnet: Der gesamte Quadient-Konzern wird an der Börse derzeit mit 1,26 Milliarden Euro bewertet (um diesen Wert zu ermitteln, haben wir zur Marktkapitalisierung von 550 Millionen Euro die Nettoverschuldung von 710 Millionen Euro addiert). Das sind knapp 1,5 Milliarden US-Dollar, also 300 Millionen Dollar weniger, als Cinven allein für Smart Communications bezahlt hat.
Der eine oder andere mag vermuten, dass die Private-Equity-Gesellschaft viel zu viel bezahlt hat. Aber unserer Erfahrung nach wissen diese Manager genau, was sie tun. Fakt ist, dass wir als Aktieninvestoren heute ein vergleichbares Digitalgeschäft viel günstiger kaufen können und dazu nicht nur 25.000 profitable Packstationen bekommen, sondern auch unzählige Frankiermaschinen, die 2030 nach Erwartungen des Unternehmens immer noch 600 Millionen profitablen Umsatz machen sollen.
Unser Investment-Ansatz
Seit 25 Jahren bleibt unser Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) seiner Philosophie treu. Wir investieren in unterbewertete europäische Unternehmen mit solidem Geschäftsmodell und Potenzial. Dabei denken wir wie Unternehmer, die eine ganze Firma kaufen – und stellen uns, wenn nötig, gegen den Markt.
Der Autor
Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds