Value Kolumne von Hans Peter Schupp

4. OKTOBER 2025

Chemie im Zyklustief – Chancen für Anleger

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) über die Perspektiven der Chemischen Industrie und des Fondsinvestments Lanxess.

Die chemische Industrie steckt in einer schwierigen Phase. Nachfrage und Preise sinken, Margen stehen unter Druck, die Aktienkurse geben nach. In Deutschland drosseln viele Unternehmen ihre Produktion und planen mit weniger Personal. Nach Angaben des ifo-Instituts liegt die Kapazitätsauslastung der Branche derzeit bei nur 73,1 Prozent – vor 2020 waren es im Schnitt 82 Prozent.

Ein zentraler Frühindikator für die Branche ist der Preis von Ethylen, dem wichtigsten Grundstoff der Petrochemie. Über Jahre bewegte er sich in einer Spanne zwischen 800 und 1.200 Euro je Tonne, aktuell notiert er mit rund 675 Euro deutlich darunter.

Die Ursachen sind vor allem konjunkturell: Die Bau- und Verpackungsmärkte zeigen Schwäche, zugleich kam es in China und den USA durch neue Anlagen zu einem deutlichen Angebotszuwachs.

Wir sehen darin jedoch keine strukturelle Krise, sondern eine typische zyklische Delle. Nach dem Preisrückgang des Jahres 2023 hatten viele Unternehmen eine Erholung schon 2024 erwartet – sie blieb bislang aus, dürfte sich aber nur verzögert haben.

Einige Indikatoren deuten bereits auf eine Stabilisierung hin. S&P Global Commodity Insights berichtet von leicht verbesserten Ethylen-Spreads, und auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI) sieht in einzelnen Segmenten Anzeichen einer Bodenbildung, wenngleich das Umfeld insgesamt schwach bleibt.

Gleichzeitig kommt Bewegung in den Sektor: OMV (ISIN: AT0000743059) will gemeinsam mit der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) den kanadischen Hersteller Nova Chemicals für rund 13,4 Milliarden US-Dollar übernehmen. Berkshire Hathaway (ISIN: US0846707026) erwirbt OxyChem für etwa 9,7 Milliarden US-Dollar, und die Carlyle Group kauft das Beschichtungsgeschäft von BASF (ISIN: DE000BASF111) für rund sieben Milliarden Euro. Die großen Akteure nutzen das zyklische Tief, um sich für den nächsten Aufschwung zu positionieren.

Auch wir gehen davon aus, dass die aktuelle Entwicklung Teil eines üblichen Chemiezyklus ist. Mit einer Erholung der industriellen Nachfrage dürften die Ethylenpreise wieder steigen und die Branche Tritt fassen. Für langfristig orientierte Investoren eröffnen sich damit interessante Einstiegsmöglichkeiten.

Lanxess – Konzern in der Krise…

Ein Beispiel ist unser Fondsinvestment Lanxess (ISIN: DE0005470405). Der Aktienkurs des Unternehmens liegt derzeit zwischen 50 und 70 Prozent unter der Bandbreite, die zwischen 2011 und 2023 erreicht worden war – und damit immerhin 40 Prozent unter dem Corona-Krisenniveau.

Die Gründe sind offensichtlich: Die Umsätze sinken, und auch für 2025 wird ein Verlust erwartet. Vor allem die hohe Verschuldung besorgt Investoren. Die Nettoverschuldung liegt mit etwas über zwei Milliarden Euro oberhalb der Marktkapitalisierung von knapp 1,8 Milliarden Euro.

 … hebt nun verborgene Werte.

 Wie so oft lohnt sich allerdings ein zweiter Blick. 2023 brachte Lanxess seinen Geschäftsbereich High Performance Materials als 41-Prozent-Beteiligung in das Joint Venture Envalior ein. Zugleich wurde ein Andienungsrecht zur Veräußerung des verbliebenen Anteils vereinbart.

Seither hinterlässt die Beteiligung deutliche Spuren in der Ergebnisrechnung. Rund 160 Millionen Euro des Verlusts von 177 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2024 entfielen auf Envalior.

Im September kündigte Lanxess an, sein Andienungsrecht auszuüben. Nach konservativen Schätzungen dürfte der Verkaufserlös bei rund 850 Millionen Euro liegen. Hinzu käme die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens in Höhe von 200 Millionen Euro. Damit würde dem Unternehmen mehr als eine Milliarde Euro zufließen. Eine Liquiditätszufuhr, vor deren Hintergrund die Nettoverschuldung weit weniger dramatisch aussieht.

Darüber hinaus wäre ein Buchgewinn von rund 230 Millionen Euro zu erwarten. Mit dem Wegfall der negativen Ergebniseffekte aus der Beteiligung könnte Lanxess nach Überwindung des zyklischen Tiefs rascher in die Gewinnzone zurückkehren. Wo viele Risiken sehen, erkennen wir auf dem aktuellen Kursniveau Chancen.

Unser Investment-Ansatz

Seit 25 Jahren bleibt unser Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) seiner Philosophie treu. Wir investieren in unterbewertete europäische Unternehmen mit solidem Geschäftsmodell und Potenzial. Dabei denken wir wie Unternehmer, die eine ganze Firma kaufen – und stellen uns, wenn nötig, gegen den Markt.

Der Autor

Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds